Nachschleifservice vom Handwerksbetrieb oder von der Werkzeugindustrie – wer erbringt optimale Leistungen für den Kunden?
Immer mehr Hersteller von Zerspanungswerkzeugen drängen mit ihrem Originalschliffservice auf den Markt der kleinen und mittleren handwerklich geprägten Werkzeugschleifbetriebe. Das Marketingversprechen der Industrie: nur wer die Originalgeometrien besitzt kann auch das Werkzeug 100 % wiederherstellen und demzufolge werden dadurch Produktionskosten maximal gesenkt. Lohnt sich ein Wechsel?
Die handwerklich geprägten Werkzeugschleifbetriebe haben sich über einen langen Zeitraum und dank enger Kooperationen sehr stark professionalisiert, ihre Kompetenzen weiterentwickelt und ihre Technik aufgerüstet, so dass die Werkzeuge immer optimal nachgeschliffen werden. Das führt zu einem selteneren Neukauf von Standard- und Spezialwerkzeugen beim Hersteller. Diese bieten nun selbst das Nachschleifen ihrer Werkzeuge an. Für den Kunden ist es in dieser Situation mitunter schwierig zu entscheiden, wohin er sein Werkzeug zum Nachschleifen gibt – zur Werkzeugindustrie oder zum Werkzeugschleifbetrieb seines Vertrauens, mit dem er seit Jahren eine feste Partnerschaft aufgebaut hat.
Im Folgenden werfen wir einen Blick auf den Nachschleifprozess von Hersteller und Werkzeugschleifbetrieben.
Transportbox versus Kundenbetreuer
Es ist wieder soweit, einige Bohrer, Schaftfräser, Walzenstirnfräser oder Kegelsenker müssen nachgeschliffen werden. Nun muss entschieden werden: Anruf beim Werkzeugschleifbetrieb oder doch beim Hersteller? Dieser stellt verschiedene Werkzeugboxen von verschiedenen Herstellern zur Verfügung. Darin werden die Werkzeuge gesammelt. Es genügt ein Anruf, die Box wird abgeholt und mit den fertig geschliffenen Werkzeugen wieder gebracht. Wo wird nachgeschliffen? Zum Teil in global agierenden Servicezentren – anonym, standardisiert, aber nach Originalgeometrie. Sie hätten da noch eine Frage? Fehlanzeige. Box gepackt und weg sind die Werkzeuge. Dann doch lieber Anruf bei Herrn Fleischhauer vom Werkzeugschleifbetrieb. Der Handwerker kennt sich aus, er kommt persönlich, holt die Werkzeuge ab und bringt sie wieder zurück. Eine gute Gelegenheit, Fragen zu stellen und das Einsatzgebiet für die Werkzeuge zu besprechen.
Zeitfaktor
Herr Fleischhauer bringt die Werkzeuge in seinen Betrieb. Anders als die Werkzeugbox aus der Industrie, die nun – nicht etwa beim Hersteller selbst – sondern an ein von ihm lizenziertes Nachschärfzentrum irgendwo auf der Welt geliefert wird. Der Prozess, der dort abläuft, braucht in der Regel kein Fachpersonal. Das Werkzeug wird in die Maschine eingespannt, das Nachschliffprogramm wird gestartet und los geht es – vollautomatisch. Die Werkzeuge werden wieder verpackt und zum Kunden zurückgeschickt. Was sich schnell anhört, dauert jedoch mehrere Wochen. Beim lokalen Werkzeugschleifbetrieb sieht dieser Prozess im Allgemeinen anders aus. Er kann, je nach Dringlichkeit des Auftrages, sofort reagieren. Die Angebotsphase wie auch die Ausführung erfolgen wesentlich schneller. Bedingt durch die langen Lieferzeiten für das Nachschärfen beim Hersteller, muss der Anwender mehr Werkzeuge vorhalten, um diese Zeit überbrücken zu können. Dies ist ein klarer Pluspunkt für die Werkzeugschleiferei.
Nachhaltigkeit
Nachhaltigkeit ist ein wichtiges Thema beim Nachschärfen, geht es doch um die Schonung von materiellen und finanziellen Ressourcen z.B. durch mehrmaliges Nutzen von VHM-Schaftfräsern. Da bleibt die Frage offen, wie nachhaltig es ist, beispielsweise ein Metallkreissägeblatt um die ganze Welt zu transportieren und damit Emissionen sowie Kosten zu verursachen, was den Nachhaltigkeitsaspekt in puncto Ressourcenschonung aufhebt. Die häufig regional arbeitende Werkzeugschleiferei erzeugt durch die kurzen Transportwege weit weniger Emissionen und schonet damit die Umwelt.
Handwerksbetriebe arbeiten herstellerunabhängig, halten dafür gut ausgebildete Schneidwerkzeugmechaniker und moderne CNC-Technik vor. Es besteht in der Regel eine gewachsene Partnerschaft zwischen ihnen und ihren Kunden. Diese gewachsenen regionalen Partnerschaften sind ebenfalls wesentlich nachhaltiger zu bewerten, da lokale Wirtschaftskreisläufe weniger störanfällig für äußere Einflüsse sind und sich über Jahre bewährt haben.
Während die Hersteller einen HSS-Schaftfräser 3 – 5 x nach der Originalgeometrie nachschleifen können, sind die Werkzeugschleifbetriebe hierin flexibler. So oft es der Kunde wünscht und er das Werkzeug wirtschaftlich einsetzen kann, wird nachgeschliffen. Dabei können Werkzeuge sogar ihr Einsatzgebiet wechseln, genau dann, wenn die Originalqualität aufgrund von zu großem Verschleiß nicht mehr erreicht werden kann, jedoch als Präzisionswerkzeug durch einen angepassten Schliff neue Einsatzmöglichkeiten bekommt.
Kostenfaktor
Der Nachschliffservice beim Hersteller kostet in der Regel wesentlich mehr als bei den Werkzeugschleifbetrieben. Die Industrie argumentiert hierbei den höheren Preis weg, indem sie die Originalgeometrie dagegenhalten, was nach eigenen Angaben zu noch größeren Ersparnissen bei den Produktionskosten führt. Die Werkzeugschleifbetriebe sind hingegen eine preiswerte Alternative, zumal hier keine Mengenbegrenzung besteht. Auch kleine Stückzahlen können fachgerecht und schnell wieder aufbereitet werden.
Die Wirtschaftlichkeit in Bezug auf nachgeschliffene Werkzeuge ist stark von der Qualität des (ersten) Nachschleifens abhängig. Anders als oft dargestellt, gibt es jedoch keine unabhängigen Studien, die einen eindeutigen Produktionskostenvorteil zugunsten der Industrie belegen. Einzig eigene Fallstudien sollen die Überlegenheit der Originalgeometrien demonstrieren. Auch Werkzeugschleifbetriebe können die Lizenzen der Hersteller, also die Originalgeometrien, erwerben. Häufig kooperieren einzelne Betriebe im Prozess des Nachschleifens, was für den Anwender jedoch keine Rolle spielt.
Qualität der Werkzeuge
Der wichtigste Aspekt bei der Wahl des Nachschärfservices ist zweifelsohne die Qualität der nachgeschliffenen Werkzeuge. Fakt ist, ohne die teuren Lizenzen für die Originalgeometrien der Hersteller muss der Mitarbeiter eines Werkzeugschleifbetriebes die Geometrie nachmessen, so dass diese dann exakt oder näherungsweise mit der verwendeten Software nachgebildet werden kann.
Originalschliff oder Optimalschliff
Anders als bei den von den Herstellern lizenzierten Betrieben kann der Meister vor Ort jedoch noch ein bisschen mehr: er kann die Werkzeuge sogar bedarfsgerecht optimieren. Die Anforderungen an die Sonderwerkzeuge werden immer individueller und spezieller. Die Hersteller sind in der Lage, ihre Spezialgeometrie auf die Werkzeuge exakt zu übertragen, aber sie können keine Modifikationen vornehmen. Die Werkzeugschleifbetriebe indes arbeiten heute mit modernsten CNC-Maschinen und können damit auch eigene Präzisionswerkzeuge herstellen.
Fazit
Die Grenzen zwischen Industrie und Werkzeugschleifbetrieben verschwimmen zusehends, wobei die Kernkompetenz der Hersteller in der Forschung und Entwicklung neuer komplexer Werkzeuge zu sehen ist und die der Werkzeugschleifbetriebe im Nachschleifen unterschiedlicher Werkzeuge, herstellerunabhängig, schnell vor Ort, persönlich und fachkompetent und kostengünstiger als beim Hersteller.
Im Gegenteil fallen die hier aufgeführten Aspekte eher zu Gunsten der Werkzeugschleifbetriebe aus, die ein besseres Gesamtpaket bieten und vor allem mit dem fachlich-persönlichen Aspekt punkten können. Technisch gesehen weichen die Unterschiede mehr und mehr auf.