Von der Hinterhofschleiferei zur Hightech-Schmiede

LVZ-Artikel vom 29.12.2016 von Haig Latchinian

Wurzen. Unter den mittelgroßen Betrieben am Standort sei er mit zwölf Beschäftigten eher ein kleiner. Uwe Schmidt (45), Inhaber der Präzisionswerkzeuge Wurzen, stapelt bewusst tief: „Mitunter werden wir sogar übersehen. Bis vor kurzem wusste kaum einer, was wir da in der Dresdener Straße eigentlich treiben. Manch einer dachte gar, wir würden bestenfalls Omas Gartenhacke anspitzen.“ Klein, aber oho! Inzwischen mauserte sich der 1990 noch von Vater Gerhard gegründete Einmannbetrieb mit kleiner Hinterhofschleiferei zur Hightech-Schmiede. Maßgefertigte, passgenaue Fräser, Bohrer und Sägeblätter erobern nicht nur die Region, sondern auch Deutschland, Europa und die Welt.

Das Jahr 2016 war für die Präzisionswerkzeuge Wurzen ein ganz besonderes. Erstmals vertreten war der Betrieb auf der Denkmal 2016, der europäischen Leitmesse für Denkmalpflege, Restaurierung und Altbausanierung. Auch zum diesjährigen Wurzener Tag der Industriekultur mit insgesamt 1000 Neugierigen öffnete das Haus seine Pforten für Besucher – eine Premiere! Uwe Schmidt führte persönlich durch die Werkstätten, präsentierte dabei auch die neue vollautomatische Sägekettenschärfmaschine.

Schmidt ist Vorstandsmitglied der Standortinitiative Wurzen und Wurzener Land (SiW). Der Maschinenbauingenieur schwört auf das seit 2003 bestehende Netzwerk von nunmehr 85 Unternehmern, Einzelpersonen und Behörden: „Nur wenn wir uns gegenseitig kennen und wissen, was jeder macht, können wir auch Aufträge untereinander vergeben. Da passiert ganz viel! Mittlerweile arbeiten wir für fast jeden Wurzener Betrieb – sind da, wenn die Säge klemmt.“

Wurzen, eine der ältesten und schönsten Städte Sachsens, habe mehr zu bieten als Dom, Schloss und Kirche, sagt SiW-Vorstandsmitglied Ulrich Heß und erinnert an die in diesem Jahr verlängerte Ausstellung „Industriearchitektur in Wurzen“. Weit mehr als 300 Menschen hätten die Fotos von Käte Just gesehen. Heß: „Die Mühlentürme suchen ihresgleichen. Aber auch die Dresdener Straße mit ihren Fabriken, Silos und Werkstätten lässt das Herz eines jeden Architekturliebhabers höher schlagen – sie ist zu einer Industrie-Magistrale geworden, besonders nachts, wenn alles illuminiert ist.“ Die Luftzerlegungsanlagen von Cryotec gehen in alle Welt. Erfolgsgeschichten seien zum Beispiel auch WRC und Hoffmann Fördertechnik. „Ein traditionsreiches Unternehmen ist neben der Nahrungsmittel GmbH die Filzfabrik, deren Hammerkopfoberfilze in der Klavierherstellung rund um den Erdball zum Einsatz kommen“, so Heß.

Als Betreuer der Arbeitsgemeinschaft Wirtschaft der SiW berichtet Uwe Schmidt trotz Konjunktur auch von aktueller Unsicherheit: „Sorgen bereiten der Industrie die niedrigen Zinsen und die damit einhergehende Angst vor der Immobilienblase. Es wird halt mehr in Gebäude als in Maschinen und Anlagen investiert. Niemand weiß, wo die Reise hingeht. Stichwort Euro-Krise.“

Dennoch gelte es heute, an das Morgen zu glauben und dem Nachwuchs eine Chance zu geben. Die SiW habe die Praktikumsbörse für das Schuljahr 2016/17 entsprechend aktualisiert, etwa 200 Unternehmen, Dienstleister und Gewerbetreibende böten mehr als 1000 Plätze an.

Schmidt, Inhaber der Präzisionswerkzeuge Wurzen: „Zum Glück hat es sich mittlerweile herum gesprochen, dass bei uns Hirnschmalz statt Muskelkraft gefragt ist. Man muss einen Winkel berechnen können, ohne gleich ins Tabellenbuch zu gucken. Und so stellten wir in diesem Jahr erstmals ein Mädchen als Azubi ein.“

Quelle: LVZ vom 29.12.2016, Autor: Haig Latchinian, Foto: Haig Latchinian

Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung von Haig Latchinian


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